Von Hausfrauen und Menschenrechten
VON SONJA BROWATZKI - zuletzt aktualisiert: 19.05.2009
Duisburg (RP)
Rheinhausen Der "Stattchor" macht mit seinen Liedern beschwingt und
nachdenklich zugleich. Sein aktuelles Programm "Auf dem Lachs hockt 'ne
Fliege" beschäftigt sich mit der Wohlstandsgesellschaft und damit, auf
wessen Kosten der Luxus einiger weniger finanziert wird. "Aber wir
singen nicht mit erhobenen Zeigefinger", betonen die Mitglieder: "Nach
unserer Definition hat jeder das Recht auf Genuss".
Etwa vierzig Mitglieder hat der
gemischte Stattchor. Sie schafften es, ihr Publikum zugleich zu
begeistern und aufzurütteln. RP-Foto: Andreas probst
Ratgeber für Arbeiterküchen
Und so sangen sie am Samstag im Komma-Theater Lieder
"rund ums Essen, Trinken, Hartz IV, Rinderwahn und Blicke über den
Tellerrand". Eher Blicke auf die Teller gab es in der ersten Hälfte des
Konzertes. Nachdem zunächst das Vorwort eines "Hartz-IV-Kochbuches" und
das verdächtig ähnlich klingende einer "Kochanleitung für
Arbeiterhausfrauen" von 1881 vorgelesen wurden, gab es ein Lied über
die Sättigungsbeilage Kartoffel. Und auch Wolfgang Amadeus Mozart kam
zu Wort, der schon Ende des 17. Jahrhunderts erkannt hatte: "Labt mich
Speis und Trank nicht mehr, dann ade, dann Welt, gute Nacht!"
Immer wieder traten Sänger für kurze
schauspielerische Einlagen in den Vordergrund und leiteten durch die
kurzen Beiträge zum nächsten Titel über. Sabine Scheerer hatte diese
Intermezzi während der zweijährigen Vorbereitungsphase mit den Sängern
eingeübt. Andere Überleitungen funktionierten hingegen ganz ohne Worte.
So hielten die Sänger die berühmten Worte des
Artikels 25 der amerikanischen Menschenrechtserklärung von 1848 in den
Händen und hängten sie gut sichtbar hinter sich auf, während sie über
Überfluss und Ausbeutung sangen: "Jeder Mensch hat Anspruch auf (
)
Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung,
ärztliche Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen
Fürsorge (
)." Leise Diskussionen am Ende Mit
dem eindringlichen Satz "Es kommt nicht darauf an den Menschen der
Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen",
verabschiedete sich der Chor und entließ die 130 Zuschauer
nachdenklich, leise diskutierend oder aufgewühlt, aber keinesfalls
gleichgültig.
Der Stattchor entstand aus einem Zusammenschluss von
Fabrik- und Arbeiterchören. Unter anderem sind der "Tor Eins Chor" und
der "Stadtchor" Vorläufer des heutigen Stattchores. "Uns einte das
Bedürfnis, andere Lieder zu singen als die Liedertafelsänger", so ein
Chormitglied.
|