Na, das macht ja Appetit! Auf dem Lachs hockt 'ne Fliege heißt das
aktuelle Programm des Stattchors Duisburg, der denn auch denen, die ihn
nicht kennen, gleich mit diesem Titel und dem eigenen Namen klar macht:
Wir sind anders! Wir besingen nicht Ännchen von Tharau und andere
Lieblichkeiten. Kann sein, dass sich mal ein Liebeslied ins Repertoire
schmuggelt, aber dann nur, weil es grad so ein schöner Kontrast ist.
Auch die holde Natur mag mal im Liedgut auftauchen. Aber eigentlich
halten es die Chormitglieder eher mit Bert Brecht: Was sind das für
Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein
Schweigen über so viele Untaten einschließt! Und wo Brecht ist, sind
Weill und Eisler nicht weit. Mein lieber Herr Gesangsverein, der
Stattchor versteht sich politisch, es gilt das gesungene Wort, und das
soll eine Aussage transportieren, die meist weit weg von Schön ist es,
auf der Welt zu sein liegt. Da betont Friedel Kühler, mit 69 Jahren
die Alterspräsidentin des Chors: Aber moralinsauer sind wir deshalb
nicht.
Vielleicht ein wichtiger Hinweis, denn entstanden ist die Alternative
zum traditionellen Chor vor über zwanzig Jahren aus Leuten, die bei
Ostermärschen und Anti-Atomkraft-Demos gesungen haben, und Mitgliedern
des Tor-1-Chores der arbeitskämpfenden Kruppianer. Heile Welt hatten da
die wenigsten im Herzen, und der erhobene Zeigefinger gehörte damals
dazu. Ihre Stimmen waren für einen MGV Liederkranz oder wie sie
heißen, mit Notenwart und einheitlicher Kleidung, schon da perdu. Ich
hab's ja mal versucht, erzählt Monika Sandmann, ich wollte so gerne
die Carmina Burana singen. Zwei Proben habe ich tapfer ausgehalten,
aber dann ging das nicht mehr. Denn im Stattchor stimmt man sich
gemeinsam und ausgiebig ab, und das gilt nicht nur für den Gesang.
Was die Literatur angeht nee, da hat die Chorleiterin Kerstin Geener
nicht viel zu melden. Dafür gibt es ganz basisdemokratisch eine
Programmgruppe, die rund ums gewählte Thema nach passendem Liedgut,
aber auch nach Sketchen, Texten und Instrumentalstücken sucht, denn zum
Chor gehört auch eine Band. Und ein Auftritt des Stattchores beinhaltet
nicht nur das Absingen von Liedern, sondern hat eher Revue-Charakter.
Der einzige Einwand der 37-jährigen Profi-Musikerin, den man gelten
lässt: Zu schwer. Aber das kommt immer seltener vor. Bei der
Stimmbildung, da quält sie uns auch schon mal, sagt Christine Zentek,
die von Anfang an dabei ist und deshalb behaupten darf: Da haben wir
einen riesigen Qualitätssprung von damals bis heute gemacht.